Radreise extrem: Einmal um die „Gude-Welt“

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René von Gude-Welt hat es getan. Mit 33 Jahren hat er seinen Job gekündigt, seine Sachen gepackt und hat sich aufs Rad geschwungen. Und damit ist er nicht etwa in die nächste Stadt gefahren – sondern einmal um die Welt. Laufen war ihm zu langsam, Auto fahren zu schnell… daher ging es mit dem Fahrrad auf große Reise! Kurz vor Corona kam er nach knapp zwei Jahren – und über 40.000 km in den Beinen – wieder in Deutschland an. Und berichtet nun bei bikefolks von seiner Reise.

René! Willkommen zurück in Deutschland. Wie beschreibst du am besten, was du die letzten Jahre erlebt hast?

„Ich war mitten drin“, beschreibt es wohl am besten. Mit dem Rad flogen die Kilometer nicht nur hinter einer Windschutzscheibe eines Autos, Busses oder Flugzeuges gemütlich an mir vorüber. Im Sattel sitzend, offen für die Umwelt und die Menschen, erlebte ich viele Höhen und Tiefen: Mitten in der Wüste sitzen, mitten im Schneegestöber radeln, mein Rad mitten durch lokale Basare schieben, der Mittelpunkt einer abendlichen Essenseinladung sein oder mitten im Nirgendwo eine Panne haben – solche und tausend andere Situationen habe ich erlebt.

Ich war gefühlt ein Reisender und kein Tourist mehr.

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Hattest du ein persönliches Highlight?

Mein Highlight im Nachgang sind die tausenden Menschen, die meinen Weg gekreuzt haben. Klar, die Ausblicke von 4000er Pässen, der Sternenhimmel im australischen Outback oder die nie enden wollenden Wälder von Nordamerika sind auch Highlights, aber es gab nichts besseres auf meiner Reise, als wenn jemand um die Ecke kam und meinen Tag umkrempelte – vom ärmsten Bauern bis hin zum Millionär.

Zum Beispiel fand ich mich von jetzt auf gleich zum wiederholten Male beim Abendessen im Haus einer iranischen Familie wieder, brachte in China Vorschulkindern Englisch bei oder saß im tibetanischen Kloster und schaute den Mönchen dabei zu, wie sie versuchten mein schweres Fahrrad zu fahren. Kleine und große Begegnungen, die mich immer wieder motiviert haben, wieder in den Sattel zu steigen.

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Was hattest du vor, als du gestartet bist?

Das ist eine der meist gestellten Fragen zu meiner Reise – neben „Are you crazy?“.

Aber die Antwort ist einfach und simpel: einen Traum erfüllen. Die Welt nicht nur aus Büchern und anderen Medien zu sehen, sondern den Facettenreichtum der Natur und der Menschen – zumindest ein wenig im Ansatz – mit eigenen Augen zu sehen.

Der nächste angedachte Punkt war „anzukommen“, aber wo soll man ankommen, wenn das Ziel ist, alles Mögliche zu sehen!?

Somit bin ich mit offenem Plan losgefahren, hatte nur das Pamir Gebirge in Zentralasien als Wunschziel auf der Liste. Alles was davor und danach passierte, ergab sich durch die vielen Zufalls-Begegnungen und Spontanität.

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Was hast du gedacht, als du wiedergekommen bist?

Bis ich Europa wieder betreten habe, habe ich mein Ankommen sehr gelungen geistig ausgeblendet. Aber dann konnte ich es auch nicht mehr leugnen. Nach so einer langen Zeit außerhalb von Europa, erinnerte mich bereits in Spanien so viel an Deutschland und somit an mein Ziel – ein Mix aus Freude und Wehmut. Klar ist die Freude groß, wieder Alles und Jeden daheim zu sehen. Aber es ist schwer damit klarzukommen, dass somit nun auch die wirkliche Freiheit zu Ende geht. In Gedanken warten am Tag nicht mehr Abenteuer, sondern Arbeit, Verpflichtungen und Alltag. Das Gedankenspiel ging von einem zum anderem Extrem. Im Nachgang hat es sich zum Glück recht gut in der Mitte eingependelt.

Hast du Dich verändert?

Es heißt ja, dass jede Erfahrung dich verändert. Also ein „Nein“ als Antwort zählt nach bald zwei Jahren voller Erlebnissen wohl nicht.

Mein Umfeld daheim hat keinen neuen Menschen zurück empfangen, so zumindest die Aussagen. Aber mein Blickwinkel auf viele Dinge hat sich doch verändert. Ich traf viele Menschen und bekam Einblicke in ihr Leben, ihre Kultur und ihre Sicht auf die Welt – da bleibt mindestens ein kleiner Teil im eigenen Kopf hängen. Was mich persönlich offener gemacht und weitergebracht hat. Nun ist meine Aufgabe, das Alles nicht zu verlieren und in den „Deutschen Alltag“ zu retten.

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Was rätst du anderen Menschen, die etwas ähnliches vorhaben?

Fahrt los und der Rest ergibt sich!

Detaillierte Vorstellungen oder Pläne sind eher Ballast im Kopf. Am besten einfach offen und flexibel in den Tag starten, denn so oft findet Ihr Euch später in Situationen oder Orten wieder, die den Plan völlig zerstören. Das waren genau die Momente, die mir die Faszination Radreise über Jahre erhalten hat.

Aber macht Euch auch klar, dass eine solche Reise per Rad auch verdammt hart sein kann. Es werden Tage aufkommen, die nicht nur ein wenig an der Komfortzone kratzen, sondern einen an die geistigen und körperlichen Grenzen bringt. Viele Dinge wie dauernde Hitze, Kälte, Hunger, Durst, Einsamkeit und Sprachbarrieren kennt man einfach nicht vom normalen Alltag – und können einen auf Dauer ziemlich zusetzen.

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Dein Fazit?

Mein schönstes Fazit von dieser Reise ist, dass ich keine einzige „böse“ Person getroffen habe. Kein einziges Mal wollte mich jemand bestehlen, wurde aggressiv oder ähnliches! Aber dafür gab es tausende Leute am Wegesrand, die mir zulächelten, zuwinkten, Geschenke gaben, Einladungen aussprachen, mich zum Lachen brachten und vieles mehr.

Diese Erfahrungen in einer solchen Intensität, hatte ich vorher in keiner anderen Form des Reisens erfahren. Daher bereue ich keinen Tag, dass ich mein Rad als Reisegefährt gewählt habe – und auch in Zukunft wählen werde. Denn es gibt noch viel mit eigenen Augen zu sehen und es lohnt sich!

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// Bilder: René Westenberger

„Ob Stadtpark oder Islandrundfahrt – für mich gehört das Abenteuer dazu.“

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