Radfahren im Hunsrück und an der Mosel

Schniderhannes-Radweg_Hunsrueck_bikefolks

Die Hotels und Gastronomie sind wieder offen. Endlich kann man wieder sinnvoll mehrtägige Radtouren machen. Also packten wir das Nötigste auf unser Tandem und suchten uns den Hunsrück als Ziel aus. Das Mittelgebirge zwischen Rhein, Mosel und Nahe gehört nicht zu den bekanntesten Tourismusregionen. Wer wandert, kennt vielleicht den Saar-Hunsrück-Steig. Aber Radfahren in der Region? Wir haben es getestet.

Der Schinderhannes-Radweg oder: Wie Namen täuschen können

Ehrlich gesagt haben wir uns nicht viel Mühe mit der Routenplanung gemacht, sondern haben uns auf Bikemap zusammengesucht, was nach durchgängigem Radweg aussieht. Beim Namen „Schinderhannes“ waren unsere Assoziationen bei abrupten Steigungen und vielen Höhenmetern. Wie falsch. Im nördlichen Teil verläuft die Radroute auf der Hochfläche des Hunsrück zwischen Emmelshausen und Simmern über 38 km auf einer gut ausgebauten alten Bahntrasse. Steigungen bis maximal 3 % und schöne Weitblicke machen die Strecke zum puren Genuss (siehe Titelfoto).

Südlich von Simmern muss man zuerst wieder 150 Höhenmeter aus der Senke herausfahren, bevor die Route durch schöne Täler abseits des Verkehrs verläuft. Hinter Gemünden biegt er auf Nebenwege und folgt dem Simmerbach. Der Schinderhannesweg führt hier über Gravel leicht bergan durch die Natur. Unterwegs befragten wir Wikipedia, wer dieser Schinderhannes überhaupt war. Mit der Story im Kopf fiel es uns nicht schwer, uns vorzustellen, dass der legendäre Räuber in diesen schmalen Tälern die Reisenden überfallen hat.

Schinderhannes Radroute bei Gemuenden

 

Der Moselradweg – willkommen in einer anderen Welt.

Während wir uns im Hunsrück meist auf 500 bis 700 m Höhe bewegten, hat die Mosel eher nur noch 130 Höhenmeter, bis sie über den Rhein die Nordsee erreicht hat. Vor der Mosel lagen für uns also einige Kilometer feinste Abfahrt, die unser Tandem gerne auch auf 60 und 70 km/h beschleunigt. Das stabile Gefühl aus der Masse von zwei Personen und der größeren Länge des Tandems verleitet mich immer wieder dazu, das Geschwindigkeitsmaximum noch etwas herauszuschieben. Besonderheit unseres Tandems ist die dritte Bremse, die von der Stokerin bedient wird. Wir haben am Hinterrad zusätzlich zur Scheiben- noch eine Felgenbremse, um bei langen Abfahrten mit viel Gepäck die Reibungshitze auf zwei Systeme verteilen zu können. In der Zwischenzeit nenne ich sie „Vetobremse“. Auf der Abfahrt heizt mein Stoker also eher die Felge und ich weiß wo das Limit ihres Sicherheitsgefühl ist. So hat unser Tandem also eine eher demokratische Konfiguration und auch bei 59 km/h hatte ich schon genüg Mücken zwischen den Zähnen.

Unsere Abfahrt führte uns nach Zell an die Mosel und mit einem Mal waren wir in einer anderen Welt. Das Tal wird von Caravans und Wohnmobilen beherrscht und die vielen Radfahrer, die die Moselroute beidseits des Flusses bevölkern, haben ihr Bike vom Fahrradträger des Campers abgeladen und fahren nur die Kurzstrecke.

Wohnmobile-Stellplatz an der Mosel

Trotzdem hat natürlich auch ein Flussradweg seinen Reiz. Die Mosellandschaft und die kleinen Orte haben auch neben dem Wein einiges zu bieten. Hier ein Zimmer in einer Pension und ein gutes Abendessen zu bekommen, war kein Problem. Als wir dann am Morgen weiterfuhren, waren wir doch mit den Radreisenden unter uns. Dass aus einer der Begegnungen ein guter Tipp für eine der nächsten Touren (Green Velo in Polen) wurde, liegt mit an unserem Tandem. Wenn du mit Menschen ins Gespräch kommen willst, dann fahre Tandem. Jeder Tandemfahrer kennt die vielen begeisterten Kommentare („cooles bike“), die einem ständig nachgerufen werden.

Moselradweg mit dem Tandem

 

Steigungen und Ausblicke führen uns zurück in den Hunsrück

Zugegeben machen uns auch Steigungen auf unseren Radreisen Spaß. Damit meine ich nicht die kurzen Anstiege und nachfolgenden Abfahrten, denen man in vermeintlich flachen Gelände begegnet, sondern echte Kletterstrecken, die einen konstant auf Temperatur halten. Die Strecke von Trittenheim (ca. 130 m.ü.NN) über Hermeskeil auf den Erbeskopf (816 m.ü.NN) hat da schon einiges zu bieten. Es beginnt mit einem herrlichen Blick auf die Mosel, führt dann weiter über kleine Straßen mit kontinuierlicher Steigung und hat ihr Finale auf einem asphaltierten Waldweg hinter Thiergarten, der 10 km durch den Schwarzwälder Hochwald (doch, der heißt so) gleichmäßig zum Gipfel ansteigt.

Auf dieser Strecke folgten wir dem Hunsrück-Radweg. Die gut gekennzeichnete Strecke führt südlich des Erbeskopf über den besagten Asphaltweg und schlängelt sich nördlich über Schotterwege hinunter nach Morbach. Freundlicherweise hielt sich das vorbeiziehende Gewitter an die im Regenradar vorhergesagte Route, so dass wir bei unserer halbstündigen Pause am Erbeskopf zwar Blitze beobachten und die Donner deutlich hören konnten, aber trocken blieben. Das allerdings stimmt nicht so ganz, denn bei der Abfahrt sahen unsere Beine nur wenig anders als unser Tandem aus.

Tandem im Gravel

 

In Morbach sorgten wir im örtlichen Café für Kaloriennachschub. Anschließend fuhren wir über kleine Nebenstraßen und gut ausgeschilderte Radrouten durch die hügelige Landschaft. Der emotionale Höhepunkt kam am Abend. Die Gewitter verdichteten sich und zum Abendessen mussten wir in den Innenraum des gemütlichen Landgasthof umziehen. Nach dem langen Lockdown war es ein unglaubliches Erlebnis, in dem seit zwei Tagen wiedereröffneten Restaurant zu sitzen, ein frisch gezapftes Bier zu bekommen, nach dem Vorspeisensalat das dry-aged Fleisch und den anschließenden Nachtisch zu genießen.

Abendessen im Landgasthof

Auch auf dieser Runde hat sich wieder einmal bestätigt, was wir schon vielerorts erlebt haben. Eine mehrtägige Radtour ist in Deutschland überall möglich und sorgt, wenn man sich an den gängigen Planungstool orientiert, immer für schöne Strecken und besondere Erlebnisse. Der Hunsrück macht mit seinen Radstrecken keine Ausnahme.

hunsrueck_radtour_bikefolks

Hunsrück Landschaft am Radweg

 

Den Track der Route findet ihr hier auf Bikemap.

„Für mich ist Radfahren die selbstverständlichste Fortbewegungsart.“

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