Einmal Cross, immer Cross – Erfahrungen auf einem Cyclocross-Rennen

Erfahrungen auf einem Cyclocross-Rennen

Es knackt und knirscht in meinem Mund. Sand? Ja, stelle ich nach kurzer Zeit fest, es ist eindeutig Sand, den ich zwischen meinen Zähnen habe. 

Ich stehe gerade, frisch geduscht, irgendwo in einem holländischen Vorort in einer Schlange vor einer Frittenbude – und vor der schwierigen Entscheidung, ob ich jetzt lieber Pommes oder eine Waffel haben will. Um mich rum tummeln sich viele andere Menschen, teils mit einem Bier in der Hand, die vermutlich dieselbe Frage plagt. Wenn man ihren Gesprächen folgt, glaubt man, dass wir gerade durch die Hölle gegangen sind. Und das ein oder andere Gesicht ist tatsächlich noch ziemlich von den Strapazen gezeichnet. 

In Wirklichkeit haben wir natürlich nicht die Hölle, sondern ein Cyclocross-Rennen hinter uns. Eine Stunde lang sind wir durch den Schlamm gepflügt, gerannt und gestürzt, Treppen gelaufen, vom Bike gesprungen, aufs Bike gesprungen – nur um alles wieder von vorne zu durchlaufen – Cross eben.

Cyclo-was? Cyclocross!

Cyclocross ist Trend! Es ist schick – und richtig hip bist du, wenn du nicht nur Stollenreifen fährst, sondern Singlespeed. Also nur mit einem Gang ohne Schaltung. Aber darum geht es eigentlich gar nicht. Cyclocross ist eine Sucht. In meinem Bekanntenkreis gibt es niemanden, der es ausprobiert hat und nicht dabei geblieben ist – die Sucht hat uns alle befallen. Und ich kann noch nicht mal genau sagen, was es ist, dass mich so fasziniert. Vielleicht ist es das Extreme. Für dich und auch für dein Material. Cyclocross ist eine extreme Art des Rennradfahrens – erst recht, wenn du dich auf eine Rennstrecke begibst. Dort gehst du direkt vom Start an „all in“. Du bewegst dich an deiner Leistungsgrenze und versuchst diesen Zustand so lange wie möglich durchzustehen.

Aber fangen wir vorne an. Die Rennrad-Saison ist vorbei (endlich!). Viele Hobbysportler gehen jetzt in die „OFF-Season“. Doch für mich kommt gerade jetzt nochmal ein Jahreshöhepunkt  – die Cross-Saison. So kommt es, dass ich ab Herbst bis teilweise in den Februar die Möglichkeit habe, an kleinen Cross-Rennen teilzunehmen. Die gibt’s oft in kleinen Vororten für kleine Startgebühren und fernab der Massen großer Jedermann-Rennen. Meistens fährt man 60 Minuten, in den Hobbyklassen 30. Ja, 30 Minuten hören sich kurz an, aber sie reichen, um sich völlig zu verausgaben. Im nahen Grenzgebiet zu Holland und Belgien sind die Kurse oft auf etwas besser präpariert, aber teils auch sehr sandig. Seit kurzer Zeit gibt es auch bei uns in NRW eine eigene kleine Rennserie, die Jahr für Jahr mit mehr Rennen aufwartet. Meine Erfahrungen zu dieser Rennserie könnt ihr auch bald hier im Blog lesen. 

Zwei Laufradsätze im Gepäck

Das Gute an Cyclocross-Rennen ist, dass man sie bereits mit beschaubarem Aufwand bestreiten kann. Wenn man nicht zu ambitioniert ist, braucht man nicht viel mehr als ein Cyclocrosser und einen Helm – dann kann es schon losgehen! Tipps, was ihr alles für so ein Rennen an Ausrüstung gebrauchen könnt, findet ihr hier. Für das heutige Rennen bin ich schon am frühen Morgen angereist – zwei Laufradsätze im Gepäck. „Zwei Laufradsätze?“ fragt ihr euch jetzt vielleicht, doch erfahrene Biker nicken an dieser Stelle wissend. Die Laufradsätze sind mit unterschiedlicher Bereifung bestückt – einmal Semi-Slicks und einmal Allround-Profil. Matschig wird es heute nicht, ich frage mich eher wie viel Stollen man heute wirklich braucht. Im Rennen selber kann ich den zweiten Satz auch als Ersatz nutzen – falls mich ein Defekt ausbremst. Nach einer ersten Erkundungsrunde weiß ich, dass die Semi-Slicks die Wahl des Tages sind. Außerdem bin ich um eine weitere Erkenntnis reicher: Die Strecke gibt kaum Möglichkeiten zum Überholen! Umso wichtiger ist also die richtige Position nach dem Start. 

Auf die Plätze, fertig, los!

Eine Stunde später befinde ich mich in Position und kann den Startschuss kaum erwarten. Und dann geht es los, aber so richtig! Ich klicke schnell ein und sprinte los, gebe bis zur ersten Kurve alles was ich habe, um bloß nicht hinterm falschen Fahrer festzustecken. Leider haben diesen Plan auch alle anderen. Es wird also eng und mit Gedränge geht es durch die ersten Kurven. Mein Puls ist bereits im roten Bereich und wird sich für den Rest des Rennens wahrscheinlich auch nicht mehr erholen. 

An den ersten steilen Rampen ist noch so viel los, dass ich sie nicht fahren kann. Ich springe vom Rad, schultere das Bike und laufe den Anstieg hoch. Meine Atmung verwandelt sich langsam in ein Japsen, ich fahre und laufe so schnell ich kann und verfalle langsam in einen Rausch. An welcher Position ich bin ist völlig egal. Es macht einfach nur noch richtig Laune. 

Schon bald fahre ich in einer kleinen Gruppe, die ungefähr gleich stark ist, und so rauschen wir über den Kurs. An einer Stelle ist der eine etwas schnell, an der nächsten Stelle schon wieder der andere – alle versuchen eisern nicht den Vordermann zu verlieren. Die Glocke erklingt und die letzte Runde beginnt. Jetzt bloß keinen Fahrfehler machen und in eine schlechte Position für den Zielsprint kommen! Zum Schluss mobilisiere ich noch einmal alles was ich habe und verbiege förmlich mein Rad. Doch mindestens einer aus meiner Gruppe war schneller als ich.

Das Gefühl danach

Witzig ist die Zeit nach der Zieleinfahrt. Da verwandeln sich die verbissensten Fahrer ganz plötzlich wieder zu Papis, die sich freuen, dass sie von der Family angefeuert werden, oder jodelnden Freizeitsportlern, die direkt ihr „Racebier“ brauchen. Man klatscht sich mit völlig Fremden ab oder liegt sich mit Freunden oder Teamkollegen in den Armen. Alle Anstrengung ist vergessen. Würde ein Außenstehender hier vorbeischauen, würde er vermutlich eher denken, dass sich gerade ein Truppe zum Sonntagsradeln getroffen hat – und nicht, dass hier gerade ein hoch intensives Rennen stattgefunden hat. 

Auch ich bin völlig fertig. Zur Siegerehrung kann ich getrost in der letzten Reihe stehen, denn die schnellsten Fahrer hatte ich das ganze Rennen über nicht zu Gesicht bekommen. Doch das ist mir egal, dafür war ich heute nicht hier. Ich habe den Rausch gesucht – und auch mal wieder gefunden! Den Rausch, in den dich nur ein Crossrennen versetzen kann. Probiert es aus und ihr werdet mich verstehen!

Jetzt sitze ich wieder im Auto auf den Heimweg – bin k. o., aber glücklich. Da knackt es wieder in meinem Mund. Ich glaube der Sand wird mich noch ein Paar Tage begleiten…

Meine Gedanken schweifen schon zum nächsten Wochenende, wenn es wieder heißt #crossishere.

„Meine Beine sprechen für mich.“

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